Gedicht von Maja Roedenbeck
Die erste Rose, eine kirschrote Verführerin,
brachte der Blumenverkäufer nachts in einer Bar.
„From Gentleman“, sagte er und zeigte zum Tresen hin,
wo einer saß, der ein lächelnder Latin Lover war.
Die zweite Rose pflückte ihr am Morgen
der Latin Lover aus dem Küchentischstrauß.
Bei Licht machten ihr seine Klammerarme Sorgen
– und sahen seine Lippen nicht bettelnd aus?
Täglich brachte er nun eine Rose,
wartete geduldig, hielt sie ihr hin.
Knallrote, lachsrote, blutrote fasste sie nur lose,
warf sie in den Abfall, denn wo war da der Sinn?
Die letzte Rose, eine aus Plastik, brachte sie zur Polizei.
Dort drehte und wendete man das Dekostück.
Beinahe hopste sie nach Hause, beinahe fühlte sie sich frei,
gelangte aber nicht vor die erste zurück.
Die Abschiedsrosen, weiße, legte ihr die Mutter auf den Sarg.
Der Latin Lover hatte sie mit dem Messer zerschlitzt.
Die Mutter, die ihr Entsetzen so gut es ging verbarg,
versuchte zu verzeihen – aber was hätte das genützt?