Gedicht: Melancholie eines Kindes

von Maja Roedenbeck

„Was hast du, bist du traurig?“, fragte sie das Kind,
„weil es regnet, da draußen, wo doch jetzt Ferien sind?“
Es nickte nicht, es schluckte nicht, es starrte an die Wand,
weil es keinen anderen, keinen stärk’ren Gegner fand.

„Du kannst es mir sagen, hast dich noch nie so benommen!“
Sie drängte es, zerrte an ihm, spürte die Ungeduld kommen.
Doch das Kind blieb stumm, ließ nur die Augäpfel gehen
auf der Tapete umher, um hinter die Maserung zu sehen.

„Was soll das?“, schrie sie, riss ihm sein Stofftier aus dem Schoß,
„Ich will dir doch helfen, aber ich muss jetzt wirklich los!“
Dann stampfte sie auf, aus ihren Augen flogen Tränen,
das Kind hob den Blick – und musste erstmal gähnen.

„Mama“, sprach es leise, „weißt du, die Welt?
Weißt du, was mir am besten an ihr gefällt?
Dass so viele runde Dinge darin sind:
die Tropfen, die Perlen, die Münzen. Und der Wind!“