Gedicht: Szene in Rot

Auf dem Stahltischchen vor mir ein Weinglas, fast leer.
Ob das meins ist? Das weiß ich jetzt echt nicht mehr.
Dunkelroter Saft, meine Zunge schmeckt ihn nicht,
nur: Wenn ich nicht getrunken hab‘, warum brennt dann mein Gesicht?

Verdächtig, das benutzte Glas, ich wage nicht zu geh’n:
Wo hab ich mich vergessen? Man kann hier kaum was seh’n!
Und wär’ jemand da, was würd’ ich verlangen,
mehr Wein, mehr Licht oder den Scharfsinn der Schlangen?

Da nichts weiter geschieht, muss ich was probieren,
springe also auf und lande prompt auf allen Vieren.
Nur dem Stahltischchen bietet der Boden hier Halt.
Hab mich kaum aufgerappelt, als es mächtig knallt.

Glassplitter spritzen, dazwischen wabert Rauch.
Doch mir wird erst dann so flau in meinem Bauch,
als ich die Knarre des Mannes sehe,
dem ich auf einmal gegenüberstehe.

„Ist das die Hölle?“, frag‘ ich, weiß aber nichts von der Ehre,
dass mein Leben bereits zu Ende gegangen wäre.
Sagt der Mann: „Kommt drauf an, was dir das bedeutet:
Lichtmangel, Wein und ein Gesicht, das sich häutet.“

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Dieses Gedicht stammt aus meiner Zeitschrift „MaMagazine – Ausgabe No. 02/2025“. Lies weitere Rezensionen, Kolumnen, Reportagen, Kurzgeschichten und Gedichte:

Inhalt

  • Künstlerportrait: Jedes Selfie könnte das letzte sein – Seite 2
  • Reisebericht aus Ghana: Wo sich die Seelen der Verstorbenen treffen – Seite 7
  • Kurzgeschichte: Uwe und das Mädchen – Seite 17
  • Rezension: Liebe und Anarchie – Seite 21
  • Gedicht: Szene in Rot – Seite 24
  • Kolumne: Wer will schon die weise, alte Morla sein? – Seite 25
  • Kurzfilmprojekt: „Nicht so viel darüber nachdenken, was andere von mir halten“ – Seite 28
  • Gedicht: Stilles Kind – Seite 31
  • Reisebericht aus Australien: Wo das harte Leben Kunst inspiriert – Seite 32
  • Kurzgeschichte: Matthias Ginnberger zittert nicht – Seite 37
  • Künstlerportrait: Drei junge Musikerinnen zum Niederknien – Seite 40
  • Travel report: Where a hard life inspires art – Seite 45

Beitragsbild: Pixabay / Nanne Tiggelman