Eine schöne Möglichkeit, sich auf eine Reise einzustimmen, ist es, Filme und Serien aus dem Zielland anzuschauen. Dass ich mich in Kürze für drei Monate auf den Weg nach Australien mache, habe ich zum Anlass genommen, für euch Rezensionen zu drei Filmen und Serien aus Down Under zu schreiben, die mir in Erinnerung geblieben sind. Sind das auch eure Favorites oder habt ihr noch andere?
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Netflix-Serie: Stateless (2020)
In einem Internierungslager für Geflüchtete im australischen Outback treffen eine Reihe von Menschen aufeinander, die im normalen Alltag wohl kaum etwas miteinander zu tun gehabt hätten: eine afghanische Migrantenfamilie, eine deutsche Flugbegleiterin ohne Pass auf der Flucht vor einer Sekte und eine Aufseherin mit First Nations-Hintergrund. Ein zunächst arbeitsloser Familienvater, der schließlich als Wache im Lager an die Grenzen seiner Moral gelangt, und eine Regierungsbeamtin, die die Versäumnisse der Immigrationspolitik lösen soll.
Die zentrale Einsicht für deutsche Zuschauer: Auch wenn Australien weniger zentral im Kontinentalgefüge liegt, steht es denselben Herausforderungen in der Migrationsfrage gegenüber wie Europa. Es ist eben nicht nur ein touristisches Reiseziel mit Great Barrier Reef und Sydney Opera House, sondern dank Ozonloch und Nähe zu den pazifischen Inselstaaten ein Hot Spot des Klimawandels und ein Zielland u.a. für Klimaflüchtlinge.
Das Land hat mit kriminellen Jugendbanden in Alice Springs und zu kämpfen und mit hohen Selbstmordraten, Arbeitslosigkeit, häuslicher Gewalt und Alkoholismus in der Aborigine-Gemeinschaft. Und dann auch noch mit Rassismus in der eingewanderten Bevölkerung gegenüber den Ureinwohner*innen. Nicht alle Themen kommen in der Netflix-Serie „Stateless“ vor, aber genug davon, dass klar wird, wie Komplex die Wirklichkeit und die gesellschaftlichen Probleme auch in Australien sind.
Hilf- und kopflos, unmenschlich und undifferenziert
Doch nicht nur die Hilf- und Kopflosigkeit der Politik und Institutionen im Umgang mit dem Zustrom von Geflüchteten wird in der Netflix-Serie „Stateless“ aufgearbeitet. Auch Mitläufertum, Machtmissbrauch, Sekten und toxische Familienstrukturen in gut situierten Bevölkerungsschichten sind Themen, die angeschnitten werden. Leider wird bei der Vielzahl der Erzählstränge mancher nicht zu Ende gedacht.
So ist es z.B. einerseits sehr glaubwürdig, dass die Lageraufseherin vom Volk der Aborigine, nun, da sie erstmals in ihrem Leben Macht gegenüber anderen Menschen erhält, damit nicht umzugehen weiß. Andererseits wird versäumt zu erzählen, warum sie so unmenschlich gegenüber den Gefangenen agiert (weil sie zuvor sicher selbst diskriminiert und von mächtigeren Menschen gedemütigt wurde). Einer der wenigen ärgerlichen Aspekte in dieser ansonsten sehr guten Serie, dass dadurch ein undifferenziertes, negatives Bild der First Nations gefestigt wird.
Der Handlungsstrang rund um die Sekte basiert auf einer wahren Begebenheit – den Erlebnissen einer Deutschen namens Cornelia Rau. Interessant, dass ausgerechnet und ausschließlich die Nebenrollen des Sektenguru-Paares in dieser Serie mit international bekannten Darstellern besetzt sind. Dominic West überzeugt hier nicht ganz so sehr wie als Fremdgeher in „The Affair“* und Cate Blanchett an seiner Seite erinnert an Nicole Kidman in „Nine Perfect Strangers“*.
Alle drei Schauspieler*innen wollen ätherische Wesen verkörpern, die andere in ihren Bann ziehen, aber so ganz mag das nicht gelingen. Vielleicht sind West, Blanchett und Kidman einfach zu bekannt und von anderen Rollen geprägt, um die geheimnisvolle Aura solcher spirituellen Anführer*innen um sich herum entstehen zu lassen. In „Stateless“ haben mich jedenfalls eher die Darstellungen von Asher Keddie (die auch in „Nine Perfect Strangers“ auftritt) und Jai Courtney fasziniert.
Film: Tage am Strand (2013)
Zwei befreundete Mütter und ihre beiden Surfer-Söhne leben sehr symbiotisch in einer traumhaften Bucht in Australien, die Ehemänner sind abwesend (einer verstorben, der andere als Uniprofessor in einer anderen Stadt). Als die Söhne erwachsen sind, werden jeweils eine Mutter und der Sohn der anderen über Kreuz ein Paar. Nach einer Zeit des heimlichen, harmonischen Miteinanders zu viert heiraten die Söhne dann doch zwei junge Frauen und bekommen Kinder mit ihnen, aber wie sich herausstellt, führt einer von ihnen die Affäre mit seiner älteren Geliebten weiter.
Die Versuchsanordnung des Films „Tage am Strand“* (im Original: „Adore“*), der auf der Kurzgeschichte „The Grandmothers“* der Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing basiert, klingt inzestuös und verboten und als wolle man sowas gar nicht mitansehen. Aber die Darstellung besonders der beiden Mütter durch die herausragenden Schauspielerinnen Naomi Watts und Robin Wright ist so einfühlsam und zurückgenommen, dass die Geschichte doch authentisch und glaubhaft wird und man die Augen letztlich nicht abwenden kann.
Die Anziehungskraft zwischen den vier Protagonist*innen ist geradezu greifbar und die Emotionen der Mütter zwischen Stolz auf den eigenen Sohn („We made them! They are like young Gods!“) und weiblichem Begehren gegenüber dem anderen sind absolut nachvollziehbar. Zumindest für Mütter von Söhnen, die selbst staunend beobachtet haben, wie aus kleinen Jungen und ihren Freunden erwachsene Männer werden.
Auch die Tatsache, dass das eine Mutter-Freundinnensohn-Verhältnis eher durch sexuelle Anziehungskraft geprägt ist, während das andere auf zarten Gefühlen beruht, macht den Film interessant. Die Frage, was von beidem gefährlicher und für die menschliche Psyche besser zu kontrollieren ist, bleibt offen.
Serie: McLeods Töchter (2001 – 2009)
Zwei Halbschwestern erben eine verschuldete Rinderfarm im australischen Outback. Die eine ein Großstadtmädchen, das vom Landleben keine Ahnung hat, und die andere eine toughe Farmerstochter, die mit Hipster-Attitüde nichts anfangen kann. Die Dramatik entsteht aus dem Miteinander der beiden unterschiedlichen Frauentypen, ihren Begegnungen mit den zwei Bauernsöhnen von der Nachbarfarm und anderen Nachbar*innen sowie aus den sozialen Hintergründen, die die verschiedenen Farmgehilfen mitbringen. Achtung, Spoiler: Eine der gerade erst etablierten Hauptdarstellerinnen kommt bereits am Ende der dritten Staffel bei einem Autounfall ums Leben (weil sich Schauspielerin Lisa Chappell auf ihre musikalische Karriere konzentrieren wollte). Das kommt sehr unerwartet für Serienfans und es braucht ein wenig, um sich danach wieder in die neu sortierte Ausgangssituation der zentralen Charaktere einzufinden.
Man mag die Serie „McLeod’s Daughters“* (so der Originaltitel) für eine Seifenoper halten, aber da sie beim australischen Publikum so gut ankam, dass acht Jahre lang eine Fortsetzung nach der anderen gedreht wurde (2001 bis 2009), handelt es sich zumindest um eine Seifenoper, die Australien-Besucher*innen einen Einblick in die Vorlieben des australischen Fernsehpublikums bietet. Und da das Leben auf einer riesigen australischen Rinderfarm sich doch sehr vom Alltag in Deutschland (selbst auf den hier vergleichsweise kleinen deutschen Bauernhöfen) unterscheidet, bekommt der Zuschauer einiges an Australien-Atmosphäre mit auf den Weg.
Die Rinderfarm „Drover’s Run“ aus der Serie „McLeods Töchter“ ist übrigens heute eine Luxuslodge namens „Kingsford The Barossa“ in der Nähe von Adelaide. Mit den Serienfans scheint man allerdings nicht intensiv in Verbindung gebracht werden zu wollen. Nur eine Randnotiz im „Experience Guide“ der Unterkunft befasst sich mit der „Mc Leod’s Daughters Tour“ zu den Drehorten auf dem Farmgelände und den „Mc Leod’s Daughters Memorabilia“, die in der Bibliothek ausgestellt seien. Da hätte man marketingmäßig mehr rausholen können, dann aber für eine weniger zahlungskräftige Zielgruppe. Die Zimmerpreise von 829 Australischen Dollar für den Deluxe Room bis 1.729 Dollar für die Signature Suite (500 bis 1.000 Euro pro Nacht!) kann sich der durchschnittliche „Mc Leods Töchter“-Fan wohl kaum leisten. Und mit dem rustikalen Farmambiente aus der Serie hat das Innere des luxuriös sanierten steinernen Farmgebäudes sowieso nichts mehr zu tun.
Fortsetzung müsste dringend folgen
Nachdem ich diesen Blogartikel fertiggestellt habe, fällt mir ein, dass ich eigentlich ganz unbedingt auch noch über „Long Walk Home“* (2002) schreiben müsste. Zwei Mädchen und ihre Cousine aus der so genannten „Lost Generation“ fliehen darin aus dem Erziehungsheim und wandern entlang eines Kaninchenzauns quer durch Australien zurück nach Hause. Und über die neue Netflix-Serie „Territory“ (2024), in der es um Machtkämpfe und Intrigen in einer gigantischen Rinderaufzuchtstation geht. Für schwache Nerven ist das nichts, schon nach sechseinhalb Minuten gibt es in der ersten Folge ohne Vorwarnung die erste plastisch dargestellte Wunde mit Ekelfaktor zu sehen.
Eher unbekannt, aber intensiv und unvergesslich ist das Drama „Candy“* (2006) mit Abbie Cornish und dem großartigen, leider verstorbenen Heath Ledger. Im Zentrum steht die weltentrückte Liebe eines suchtkranken Paares. Die skurrilen Charaktere eines australischen Dorfes bilden dagegen das Panorama in der düsteren Dramödie „The Dressmaker – Die Schneiderin“* (2015). Kate Winslet kehrt darin in der Rolle einer erfolgreichen Modedesignerin in ihr australisches Heimatdorf zurück, aus dem sie einst wegen eines Mordes vertrieben wurde. Und dann ist da natürlich der Australien-Klassiker „Die Dornenvögel“* (1983). Obwohl mir schon als Jugendliche die Romanvorlage zum Familienepos von Colleen McCullough besser gefallen hat als der Filmmehrteiler.
Jedenfalls ist es erstaunlich, wie viele australische bzw. in Australien spielende Film- und Serienproduktionen man schon gesehen hat, ohne dass es einem bewusst ist. Vielleicht verlängere ich diesen Artikel also irgendwann noch oder schreibe eine Fortsetzung. Vorerst viel Spaß mit den ersten drei Film- und Serienrezensionen zum Thema „Down Under“!
Titelbild: Netflix